Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom ZEW-Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim geht im Interview mit PB3C auf die aktuellen Corona-Maßnahmen der EZB und im Speziellen auf deren Auswirkungen auf den Immobilienmarkt ein.
Herr Professor Heinemann, wie bewerten Sie die jüngst von der EU getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise allgemein? Ist die Entscheidung für EZB- sowie ESM-Hilfen und gegen Corona-Bonds die richtige?
Prof. Dr. Heinemann: Die EU-Regierungschefs haben sich auf ein ausgewogenes Paket geeinigt und europäische Solidarität unter Beweis gestellt. Das Gesamtpaket unterstützt die Mitgliedstaaten dabei, die ökonomischen Schäden der Lockdowns zielgenau abzufedern. Der 100-Milliarden-Topf mit dem Namen SURE soll europäisches Geld für Kurzarbeit bereitstellen. Neue Kreditlinien der Europäischen Investitionsbank werden helfen, die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen wegen Illiquidität zu verringern. Oben drauf kommt eine vorsorgliche Kreditlinie des europäischen Rettungsschirms ESM für besonders bedrängte Länder. Zusammengenommen ist das ein 500-Milliarden-Paket, das ist eine beachtliche Hausnummer. Dazu soll im nächsten Rahmenplan für den EU-Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 zusätzlich eine Billion Euro für den Wiederaufbau nach Corona mobilisiert werden.
Corona-Bonds, bei denen alle europäischen Staaten gesamtschuldnerisch haften, sind zunächst einmal vom Tisch. Das ist gut so, sie würden mehr Schaden anrichten als nützen. Man darf die gefährliche Signalwirkung an den Kapitalmärkten nicht unterschätzen. Dieses neue Instrument könnte als Eingeständnis wirken, dass ein Land wie Italien nicht mehr kreditwürdig ist. Damit könnten die Corona-Bonds möglicherweise die Krise auslösen, die sie angeblich vermeiden sollen.
Im Übrigen kosten sehr wichtige europäische Maßnahmen zur Krisenbekämpfung fast kein Geld. So ist es von enormer Bedeutung, die Grenzen für den Güterhandel offen zu halten und auch wieder rasch Wege für die Mobilität zumindest von Geschäftsreisenden zu finden. Das wäre vielleicht noch bedeutsamer für die Erholung als immer neue Milliardenpakete.
Was bedeutet die Corona-Krise für die Zinspolitik der EZB und anderer Notenbanken? Werden die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben oder wird eine Inflation zu Gegenmaßnahmen zwingen?
Prof. Dr. Heinemann: Die nun zu erwartende schwere Rezession hat alle Erwartungen auf ein absehbares Ende der EZB-Negativzinsen vorläufig zunichte gemacht. Wenn durch die umfangreichen Krisenmaßnahmen und die hohen neuen Wertpapierkäufe eine neue Inflationsdynamik in Gang käme, dann müsste die EZB die Zügel natürlich wieder anziehen. Nur ist weit und breit keine Inflation am Horizont erkennbar. Nicht nur der krisenbedingte Absturz der Ölpreise, sondern auch der starke Rückgang der Nachfrage wird jetzt eher für fallende Preise sorgen. Ich rechne damit, dass wir schon bald einige Monate mit negativer Inflationsrate, also Deflation, sehen werden.
Investoren sollten definitiv wachsam sein, ob aus den ganzen Orgien von geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen nicht doch irgendwann Inflationsgefahren resultieren. Das ist aber eher ein Thema für die mittlere und lange Frist.
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